Wege des Lebens, aus dem Kapitel "Wie entsteht Hass?"
Leseprobe
In all meinen Büchern habe ich aufzuzeigen versucht, daß die
an Kindern ausgeübte Gewalt auf die Gesellschaft zurückschlägt.
Zu dieser Folgerung bin ich über die Frage gelangt, woher der Haß
kommt, wie er entsteht. Ich wollte wissen, warum die einen zu extremer
Gewalt neigen, die anderen nicht. Erst als ich die Kindheiten von Diktatoren
und Massenmördern detailliert untersuchte (VGL.
MILLER, ALICE: AM ANFANG WAR ERZIEHUNG, SUHRKAMP, 1980; DER GEMIEDENE
SCHLÜSSEL, SUHRKAMP, 1988; ABBRUCH DER SCHWEIGEMAUER, HOFFMANN &
CAMPE, 1990), begann ich zu verstehen. Sie waren nämlich
alle in der Kindheit unvorstellbarem Grauen ausgesetzt, das sie durchwegs
leugneten. Es war meines Erachtens gerade diese Leugnung, die sie als
Erwachsene zu Vergeltungsaktionen trieb. Ein im Namen der Erziehung gezüchtigtes
und gedemütigtes Kind verinnerlicht sehr früh die Sprache der
Gewalt und Heuchelei und begreift sie als das einzig wirksame Kommunikationsmittel.
Als ich an den Beispielen von Hitler und Stalin zu veranschaulichen versuchte,
wie sich Kindesmisshandlungen auf die Gesellschaft auswirken können,
hielten mir viele Menschen entgegen, sie seien auch oft geschlagen worden
und doch nicht zu Verbrechern geworden. Wenn ich sie nach Einzelheiten
ihrer Kindheit fragte, stellte sich regelmäßig heraus, daß
es dort zumindest eine Person gegeben hatte, die das Kind zwar nicht vor
den Mißhandlungen geschützt, aber ihm doch Zuneigung oder sogar
Liebe vermittelt hatte. Diese Person - der helfende Zeuge, wie ich ihn
nenne - fand sich unter anderem bei Dostojewskij, der einen äußerst
gewalttätigen Vater, aber eine liebevolle Mutter gehabt haben soll.
Sie vermittelte ihrem Sohn das Wissen um die Existenz der Liebe, ohne
das die Romane Dostojewskijs undenkbar wären.
Es gibt unter den ehemals geschlagenen Kindern auch solche, die schon
in der Kindheit oder in ihrem späteren Leben nicht nur helfenden,
aber eher unbewußten, sondern auch wissenden Zeugen begegnet waren,
also Menschen, die ihnen aktiv geholfen hatten, das erfahrene Unrecht
als solches zu erkennen und ihre Trauer über das Geschehene zu artikulieren.
Später wurden diese Kinder begreiflicherweise nicht zu gewalttätigen
Verbrechern. Sie konnten fühlen und bewußt handeln.
Wer sich mit Kindesmißhandlungen beschäftigt, sieht sich mit
dem verblüffenden Phänomen konfrontiert, daß Eltern ihre
Kinder auf dieselbe Art mißhandeln oder verwahrlosen lassen, wie
sie es selbst als Kinder erduldet haben. An das Erlittene erinnern sie
sich aber als Erwachsene nicht mehr.
Bei sexuellen Aggressionen gegen Kinder ist es fast die Regel, daß
die Täter ihre eigene Geschichte nicht kennen oder zumindest von
den dazugehörenden Gefühlen abgeschnitten sind. Erst in der
Therapie, falls eine solche überhaupt möglich ist, stellt sich
heraus, daß sie die eigene Geschichte seit Jahren immer wieder in
Szene gesetzt haben.
Ich kann mir dieses Phänomen nur so erklären, daß ich
annehme, Informationen über die in der Kindheit erfahrenen Mißhandlungen
würden dauerhaft im Gehirn erhalten bleiben, gespeichert in Form
von unbewußten Erinnerungen. Ein bewußtes Erleben der Mißhandlungen
ist einem Kind ohne wissende Zeugen nicht möglich, es muß dieses
Wissen verdrängen, um an den Schmerzen und der Angst nicht zu zerbrechen.
Doch die unbewußten Erinnerungen treiben den Menschen dazu, die
verdrängten Szenen immer wieder aufs neue zu reproduzieren, um sich
von den Ängsten zu befreien, welche die frühen Mißhandlungen
zurückgelassen haben. Der Betreffende schafft Situationen, in denen
er den aktiven Teil übernimmt, um der Ohnmacht des Kindes Herr zu
werden und den unbewußten Ängsten zu entfliehen.
Doch auch das bringt ihm keine Befreiung. Er wird immer wieder zum Täter
und schafft sich neue Opfer. Solange man den Haß und die Angst auf
Sündenböcke projiziert, können sie nicht bewältigt
werden. Erst wenn die eigentliche Ursache erkannt und die natürliche
Reaktion auf Unrecht verstanden wurde, kann sich der blinde, auf Unschuldige
verschobene Haß auflösen. Denn seine Funktion, die Wahrheit
zu verschleiern, wird sich von nun an erübrigen. Sexualverbrecher,
die ihre Geschichte in Therapien aufgearbeitet haben, laufen bekanntlich
nicht mehr Gefahr, ihre Traumata auf destruktive Art weiter zu inszenieren.
Was ist eigentlich Haß? In meinen Augen ist er eine mögliche
Folge der Wut und Verzweiflung des Kindes, das bereits in seiner averbalen
Zeit mißachtet worden ist. Solange der Zorn auf einen Elternteil
unbewußt und verleugnet bleibt, läßt er sich nicht auflösen.
Er läßt sich nur auf Sündenböcke verschieben, auf
die eigenen Kinder oder angebliche Feinde. Als Ideologie getarnt, ist
der in Haß verwandelte Zorn besonders gefährlich, weil er unzerstörbar
ist, jenseits aller moralischer Gebote. Wer die Schreie eines verzweifelten
Säuglings teilnehmend beobachtet, wird über die Intensität
dieser Gefühle staunen.
Wohin die Mechanismen der Haßverschiebung führen können,
hat sich bei vielen Diktatoren gezeigt. Sie haben die Massen dadurch gewonnen
und zum Morden geführt, daß sie deren starke, schlummernde
Emotionen auf Sündenböcke richteten. Die vom Ursprung losgelösten,
nicht fokussierten Emotionen brauchen nämlich ein Objekt, um Aktionen
zu ermöglichen, die dem Kind einst verwehrt waren.
Ein Tier reagiert auf Angriff mit Flucht oder Kampf, beides ist einem
Kleinkind, das von den nächsten Angehörigen bedrängt wird,
nicht möglich. So wird die natürliche Reaktion manchmal jahrzehntelang
zurückgehalten, bis sie sich gegenüber einem schwächeren
Objekt äußert. Dann entladen sich die unterdrückten Emotionen
hemmungslos gegen Minderheiten. Man nennt dies Fremdenhaß, und die
Objekte variieren von Land zu Land. Sie können Türken, Romas,
Biafraner, Hutus oder Tutsis heißen, was auch immer. Nur die Gründe
dieses Hasses dürften überall dieselben sein.
Luther zum Beispiel war ein intelligenter und gebildeter Mann, aber er
haßte die Juden und rief die Eltern auch zur Züchtigung ihrer
Kinder auf. Er war kein perverser Sadist wie Hitlers Vollstrecker. Aber
er erteilte destruktive Ratschläge, bereis vierhundert Jahre vor
Hitler. Seine Mutter hatte ihn schon früh schwer gezüchtigt,
und was ihm angeblich "gutgetan" hatte, hielt er für richtig.
Die im Körper gespeicherte Überzeugung, daß es richtig
sei, ein schwächeres Wesen zu quälen, wenn es doch die Eltern
tun, wirkte in ihm viel stärker als die göttlichen Gebote der
Nächstenliebe und des Erbarmens mit dem Schwächeren.
Ähnliche Beispiele hat Philip Greven in seinem sehr informativen
Buch (VGL. GREVEN, PHILIP: SPARE
THE CHILD, KNOPF, 1991) aus dem amerikanischen Kulturbereich
zitiert. Er zitiert viele Männer und Frauen der Kirche, die grausames
Schlagen der kleinsten Kinder mit der Rute bereits in den ersten Lebensmonaten
empfehlen, damit die daraus erhaltene Lehre das ganze Leben wirksam bleibt.
Leider hatten sie Recht, diese schrecklichen, destruktiven Texte, mit
denen die Eltern irregeführt wurden, waren ja der klare Beweis für
die langanhaltende Wirkung des Schlagens. So konnten nur Menschen schreiben,
die einst selber schwer geschlagen wurden und später das Erfahrene
glorifizierten.
Das gleiche gilt für die heutigen Terroristen. Sie töten und
foltern fremde Menschen, die ihnen nichts Böses angetan haben, und
verbrämen ihre Grausamkeit mit angeblich religiösen Ideen. Selbstverständlich
haben sie keine Ahnung davon, daß sie an diesen Menschen den einst
in ihrer frühen Kindheit erfahrenen Terror rächen. Aber weder
ihre heutige Ahnungslosigkeit noch ihr einst unterdrückter und heute
verleugneter Zorn rechtfertigen in irgendeiner Weise ihre extreme Destruktivität
oder können unser Mitleid beanspruchen.
Wenn man weiß, daß Hitler von seinem Vater schwer gequält,
erniedrigt und verspottet wurde, und wenn man zudem weiß, daß
er seine wahren Emotionen ihm gegenüber verleugnete, springen einem
die Quellen seines Hasses ins Auge (VGL.
MILLER, ALICE: AM ANFANG WAR ERZIEHUNG, SUHRKAMP, 1980).Es
sei denn, man will sich damit lieber nicht auseinandersetzen. Ich mußte
es aber tun, weil ich nicht nur Antworten auf Hitlers Motive, sondern
auch auf diejenigen anderer Tyrannen zu finden hoffte. Bei allen fanden
sich Auswirkungen des Hasses auf einen Elternteil, der unbewußt
blieb, nicht nur weil es streng verboten war, den Vater zu hassen, sondern
auch weil es für ein Kind im Interesse des eigenen Überlebens
lag, die Illusion, einen guten Vater zu haben, aufrechtzuerhalten. Erst
bei Verschiebung auf ein Ersatzobjekt war der Haß erlaubt, konnte
er sich Bahn brechen. Hitler hätte wohl kaum soviel Unterstützung
gefunden, wenn die von ihm erfahrenen Erziehungsmuster und die daher rührenden
Schäden in Deutschland und Österreich nicht so verbreitet gewesen
wären.
Doch Hitlers spezifisches Problem mit dem Judentum gründete noch
in der Zeit vor seiner Geburt. Seine Großmutter väterlicherseits
hatte in ihrer Jugend in einem jüdischen Haushalt in Graz gearbeitet.
Nach der Rückkehr in ihr österreichisches Heimatdorf Braunau
gebar sie einen Sohn, Alois, der später Hitlers Vater wurde, und
erhielt vierzehn Jahre lang Alimente von der Grazer Familie. Aus dieser
Vorgeschichte, die in mehreren Biographien erwähnt wird, ergab sich
das Dilemma der Familie Hitler. Die Tatsache, daß die junge Frau
vom jüdischen Kaufmann oder dessen Sohn geschwängert worden
war, wollte man leugnen. Andererseits war es unmöglich, zu behaupten,
ein Jude zahle grundlos so lange Alimente. Eine solche Großzügigkeit
eines Juden war für die Bewohner des österreichischen Dorfes
schlichtweg undenkbar. Die Familie Hitler brachte folglich keine Version
zustande, die ihre "Schande" getilgt hätte.
In einer Atmosphäre des Verdachts, er sei jüdischer Abstammung,
wuchs Alois Hitler in einer judenfeindlichen Umgebung auf. Alle Ehren,
die er sich als Zöllner erwarb, befreiten ihn nicht von der latenten
Wut auf die ungerechterweise erlittene Schande und Demütigung. Seine
Wut konnte er ungestraft an seinem Sohn Adolf abreagieren, den er laut
Berichten seiner Tochter Angela täglich erbarmungslos prügelte.
Der Sohn entwickelte den Wahn, nicht nur sich selbst, sondern ganz Deutschland
und später die gesamte Welt vom jüdischen Blut befreien zu müssen,
um sich von seinen Kindheitsängsten zu befreien. Hitler war bis zum
Tod im Führerbunker diesem Wahn verfallen, weil ihm seine Angst vor
dem Vater, dem Halbjuden, sein Leben lang unbewußt war.
Es wird mir häufig gesagt, daß diese Gedanken, denen ich in
meinem Buch "Am Anfang war Erziehung" ausführlich nachging,
ungeheuerlich seien und nicht genügten, um Hitlers Handlungen zu
erklären. Sicher nicht all seine Handlungen, aber zweifellos seinen
Wahn. Sie bilden zumindest das Fundament dazu. Ich kann mir gut vorstellen,
daß Hitler schon als Kind "dem Juden", seiner monsterhaften
Phantasiegestalt, Rache schwor. Bewußt dachte er vermutlich, daß
er ein schönes Leben hätte führen können, wenn "der
Jude" seine Großmutter nicht in das Elend gestürzt hätte,
das er und seine ganze Familie nun erleiden mußten. So konnte er
auch die Übergriffe seines Vaters entschuldigen, der Vater war ja
nur das Opfer des bösen und allmächtigen Juden. Von da aus gibt
es im Bewußtsein eines zornigen und verwirrten Kindes nur einen
Schritt zum Gedanken, man müßte alle Juden ausrotten.
In der Alltagssprache wird das Wort Haß auch in Fällen verwendet,
in denen es sich nicht um spätere Projektionen der frühkindlichen
Gefühle auf Sündenböcke handelt, sondern um den Zorn des
Erwachsenen, der in der Gegenwart durchaus gerechtfertigt ist. In diesem
Sinne wird ein gefolterter Mensch oder ein Lagerinsasse seinen Folterer
oder Peiniger "hassen". Dieses Gefühl verleiht ihm oft
Kraft zum Überleben, indem es ihn vor Resignation schützt und
ihm erlaubt, seine Würde zu erhalten.
Aber dieser "Haß" ist eng mit der gegebenen gegenwärtigen
Situation verbunden. Er richtet sich gewöhnlich gegen den Menschen,
der unsere Freiheit in extremer Weise einschränkt, der uns nicht
nur in unserer Phantasie, sondern ganz real erniedrigt, demütigt,
bedroht und uns jede Form des Ausdrucks verunmöglicht. Gelingt es
dem Opfer, einen Weg aus dieser Situation zu finden, gelingt es ihm, sich
von der Gewalt seines Peinigers zu befreien, kann sich der Zorn mit der
Zeit abschwächen oder gar verschwinden.
Nicht so in den Fällen von Hitler, Stalin, Mao und anderen Diktatoren,
die bis zu ihrer Todesstunde vom Haß getrieben wurden, obwohl sie
als Erwachsene keinen Grund dazu hatten. Im Gegenteil, sie wurden ja von
Millionen abgöttisch geliebt und bewundert, und es bestand, außer
in ihrer Kindheit, eigentlich kein Grund mehr zur Angst. Trotzdem nährte
die Angst aus der Kindheit ihren Haß lebenslänglich.
Paranoide, an die Geschichte der eigenen frühen und verdrängten
Kindheit anklingende Gedankengänge habe ich ausnahmslos bei allen
Tyrannen gefunden, deren Kindheiten ich näher untersuchte. Mao wurde
von seinem Vater regelmäßig ausgepeitscht und ließ dreißig
Millionen Menschen sterben, um keine Wut auf seinen Vater aufkommen zu
lassen. Stalin ließ Millionen leiden und sterben, weil er sogar
auf dem Gipfel seiner Macht aus der unbewußten kindlichen Angst
heraus agierte. Sein Vater, ein sehr armer Schuhmacher in Georgien, versuchte
seine Frustrationen im Schnaps zu ertränken und peitschte seinen
Sohn täglich bis aufs Blut. Die Mutter zeigte psychotische Züge,
war vollkommen unfähig, ihr Kind zu verteidigen und war auch meistens
abwesend, weil sie entweder in der Kirche betete oder den Haushalt des
Priesters versorgte. Stalin idealisierte seine Eltern bis zu seinem Tod
und witterte überall und ständig Gefahren, die seit langem nicht
mehr existierten, die aber in seinem Gehirn als ständig vorhanden
registriert waren.
Das gleiche gilt auch für andere Tyrannen. Sie verfolgten unterschiedliche
Kategorien von Menschen, mit unterschiedlichen Begründungen, aber
letztlich aus demselben Grund: Einem jeden half seine Ideologie, die Wahrheit
und die Paranoia zu tarnen. Und die Massen marschierten begeistert mit,
weil ihnen die Hintergründe, auch in der eigenen Geschichte, verborgen
blieben. Die kindlichen Rachephantasien eines Tyrannen wären harmlos,
wenn die Gesellschaft ihm, in ihrer Naivität, nicht helfen würde,
diese zu verwirklichen.
Während des Dritten Reiches zum Beispiel wurde das große Arbeitspotential
der Juden erstaunlicherweise nicht für die deutsche Wirtschaft genutzt.
Das zeigt, daß den Tätern der Projektionswahn teurer war als
der Ertrag der Arbeit, der in der Kriegszeit doch knapp war. Der Jude
MUSSTE schmutzig, unproduktiv und lächerlich sein oder dazu erniedrigt
werden, denn diese Züge machten ihn zu dem Haßobjekt, das man
für die Projektionen brauchte. In den sogenannten Arbeitslagern wurden
hochqualifizierte Fachleute beispielsweise dazu eingesetzt, Erde in ihren
Mützen von einem Ort zum anderen zu tragen oder auf Schnee barfuß
sorgfältig Aufgaben zu verrichten, die niemandem etwas nützten.
So konnte in der nationalsozialistischen Ideologie Hitlers Projektion
aufrechterhalten werden, der Jude sei faul und lächerlich, aber auch
gefährlich, solange man ihn nicht entwürdigte.
Für jemanden, der nicht gewohnt ist, frühkindliche Gefühle
in historische Überlegungen einzubeziehen, mögen derartige Gedanken
weit hergeholt erscheinen. Man kann sich vielleicht vorstellen, daß
Kinder früher so gezüchtigt wurden wie später die Juden
im Naziregime, aber man fragt sich, wie sich dieser Vergleich mit der
Idee verträgt, daß die Juden eine teuflische Macht seien, vor
der die Welt bewahrt werden müsse. Kinder sind doch schwächer
als Erwachsene, was gibt es da zu fürchten?
Diese Argumentation ist logisch, aber der Haß hat seine eigene Logik.
Wir wissen aus der Geschichte der Kindesmißhandlungen, daß
Eltern ihre Kinder gelegentlich als übermächtig erlebten, als
einen vom Teufel in die Wiege gelegten Wechselbalg, dessen man sich entledigen
mußte, um Unheil zu verhindern. Ähnliches ist von den Hexenverfolgungen
bekannt. Der Haß, den die Eltern beim Auspeitschen auf das Kind
richten, gilt nicht dem Kleinkind, das sie gerade züchtigen, sondern
unbewußt den eigenen Erziehern, deren Mißhandlungen sie verdrängt
haben. Deshalb kann ein Vater sein Kind in der Übertragung als bedrohlich
und übermächtig erleben, das heißt, er prügelt im
Grunde die Peiniger seiner Kindheit, die für ihn damals übermächtig
waren und böse wie der Teufel.
Die Dynamik solcher Verschiebungen ist Psychoanalytikern seit langem bekannt.
Ihr Ursprung wurde früher durch die Identifikation mit dem Aggressor
erklärt, heute würde man vermutlich eher auf eine frühere
Entwicklungsstufe hinweisen und von gespeicherten Informationen sprechen.
Da die Folgen früher Mißhandlungen auf das spätere Leben
der Betroffenen bisher kaum erforscht worden sind, werden sie in historischen
und anthropologischen Untersuchungen auch kaum thematisiert. So hat der
Soziologe Wolfgang Sovsky ein eindrucksvolles Buch über die Formen
der Gewalt geschrieben (VGL. SOVSKY,
WOLFGANG: TRAKTAT ÜBER DIE GEWALT, FISCHER, 1996),
ohne mit einem einzigen Wort auf die Dimension der Kindheit hinzuweisen.
Dabei beleuchtet er sehr gründlich das angeblich unbegreifliche Phänomen
des Quälens, das sich aber durchaus erklären ließe unter
der Annahme, daß die Henker, Folterer und Menschenjäger ihre
Lektionen sehr früh gelernt haben. Es ist bekannt, daß das
früh Gelernte gut haften bleibt und mit der Zeit zur Selbstverständlichkeit
werden kann.
Zu entschuldigen sind die kriminellen Taten dadurch natürlich nicht,
doch man müßte sich zumindest mit der Hypothese beschäftigen,
daß Menschen, die aktiv bei Genoziden mitmachen und andere foltern,
kein Naturereignis sind, sondern zu der zahlreichen Gruppe gehören,
die die Fähigkeit, Erbarmen und Mitgefühl zu erleben, nie entwickelt
oder sehr früh verloren hat. Das Gehirn dieser Menschen funktionierte
vielleicht auf anderen Gebieten fehlerlos, und seine Ausfälle im
emotionalen Bereich machten sie gerade zu den idealen Vollstreckern der
wahnhaften Pläne paranoider Führer.
Selbstverständlich gibt es Menschen, die nicht zu Mördern geworden
sind, auch nicht zu Kinderschändern, obwohl sie in der Kindheit schwer
mißhandelt wurden. Mir ist jedoch niemals ein Verbrecher begegnet,
der in seiner Kindheit nicht selber Opfer war. Das Problem besteht darin,
daß die meisten dieser Menschen ihre Motivationen nicht kennen,
weil sie keinen Zugang zu ihren Gefühlen und Erinnerungen haben.
Indem sich Daniel J. Goldhagen in seinem Buch (VGL.
GOLDHAGEN, DANIEL: HITLERS WILLIGE VOLLSTRECKER, SIEDLER, 1996)
vornehmlich auf Berichte von Tätern stützt, offenbart er indessen
ihre Gefühle und macht sie einer näheren Untersuchung zugänglich.
Seine Zitate und Bilder dokumentieren eindeutig, daß die zufriedenen,
lachenden Gesichter der Täter Lust am Quälen zeigten
Leider hat Daniel Goldhagen das freiwillige Quälen und Verspotten
in seiner Untersuchung nur phänomenologisch beleuchtet und die Kindheit
der Täter außer acht gelassen. Er widmet sich zwar den Emotionen
der Täter, die bisher weitgehend ignoriert wurden, doch ohne den
Hintergrund ihrer frühesten Erziehung bleibt ihr Verhalten rätselhaft.
Vergeblich sucht der Leser nach einer Erklärung. Wie ist es möglich,
daß ringsum geschätzte Männer und Frauen sich wie Monster
verhielten? Wie kam es, daß ein ehemaliger Lehrer wie Klaus Barbie
und andere Männer, die von ihren Töchtern als nette und fürsorgliche
Familienväter geschildert werden, Unschuldige folterten oder foltern
ließen? Diese Frage wird von Goldhagen nicht gestellt. Er meint,
mit dem Verweis auf den deutschen Antisemitismus bereits eine befriedigende
Antwort geliefert zu haben. Das tut er aber nicht.
Wenn der deutsche Antisemitismus die Ursache des Holocaust sein soll,
so wird zu Recht kritisiert, dann sei nicht einzusehen, weshalb es nicht
bereits im Ersten Weltkrieg zu einem Völkermord kam, als der Antisemitismus
bereits ebenso stark gewesen sei. Und warum nicht ein Holocaust in den
anderen antisemitischen Ländern wie Polen, Rußland und weiteren
europäischen Staaten? Das Argument, daß die Weimarer Republik
mit Arbeitslosigkeit und Armut Frustrationen geschaffen habe, die sich
in der Ermordung der Juden entladen hätten, ist nicht überzeugend
angesichts der Tatsache, daß es Hitler schnell gelungen ist, die
Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen.
Es muß folglich noch andere Faktoren geben, die bisher unberücksichtigt
geblieben sind und die eventuell ein Licht auf die Frage werfen, warum
der Holocaust in Deutschland und WARUM GERADE ZU DIESEM UND KEINEM ANDEREN
ZEITPUNKT STATTFAND. Einer dieser Faktoren könnte meines Erachtens
im destruktiven Erziehungsstil der kleinen Kinder liegen, der um die Jahrhundertwende
in weiten Kreisen Deutschlands herrschte und den ich als Mißhandlung
von Säuglingen bezeichne.
Auch in den anderen Ländern wurden und werden noch heute Kinder unter
dem Vorwand der Erziehung mißhandelt, doch kaum mit dieser Systematik
und Gründlichkeit, die für die Schwarze Pädagogik in Deutschland
so bezeichnend war. In den beiden Generationen vor dem Aufstieg Hitlers
wurde die Anwendung dieser Methoden zur Perfektion gesteigert. Schließlich
bekam Hitler, was er brauchte. In seinen Worten klang das so: "Meine
Pädagogik ist hart. DAS SCHWACHE MUSS WEGGEHÄMMERT WERDEN. In
meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt
erschrecken wird. Eine GEWALTTÄTIGE, herrische, unerschrockene, GRAUSAME
Jugend WILL ICH. Jugend muß das alles sein. Schmerzen muß
sie ertragen. ES DARF NICHTS SCHWACHES UND ZÄRTLICHES IN IHR SEIN.
Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus ihren Augen blitzen.
Stark und schön will ich meine Jugend. . . So kann ich das Neue schaffen."
Dieses pädagogische Programm der Ausrottung des Lebendigen ging den
Plänen der Ausrottung eines Volkes voraus. Es war sozusagen die Voraussetzung
für das Gelingen.
Die zahlreichen und vielgelesenen Schriften von Dr. Daniel Gottlieb Moritz
Schreber, dem Erfinder der Schrebergärten (1808-1861), die teilweise
in vierzig Auflagen erschienen waren, unterrichteten die Eltern über
die systematische Erziehung der kleinen Kinder von ihrem ersten Lebenstag
an. Zu ihrer großen Popularität trug der Umstand bei, daß
Gehorsam und Unterwerfung unter den Willen des Kaisers damals als das
oberste Gebot des Bürgers galten. Deutschland hatte ja bisher keine
eigene Revolution erlebt. Viele Menschen befolgten daher im besten Glauben
Schrebers und ähnlicher Autoren Ratschläge zur Aufzucht der
kleinen Untertanen, ohne im geringsten zu erkennen, daß sie ihre
Kinder einer Folter mit Langzeitwirkung aussetzten. Ausdrücke wie
"Gelobt sei, was hart macht" und "Was uns nicht umbringt,
macht uns stärker", die noch heute zum Vokabular der älteren
Pädagogen gehören, stammen wohl aus dieser Zeit.
Morton Schatzman (VGL. SCHATZMAN,
MORTON: DIE ANGST VOR DEM VATER, LANGZEITWIRKUNGEN EINER ERZIEHUNGSMETHODE,
ROWOHLT, 1978), der aus Dr. Schrebers Schriften sehr aufschlußreiche
Stellen zitiert, ist der Meinung, daß es sich hier nicht um Kindererziehung,
sondern um Kinderverfolgung handelte. Unter anderem schrieb Schreber,
man müsse den schreienden Säugling durch "körperlich
fühlbare Ermahnungen zur Ruhe zwingen, und versicherte: "Eine
solche Prozedur ist nur ein- oder höchstens zweimal nötig, und
man ist HERR DES KINDES FÜR IMMER. Von nun an genügt ein Blick,
eine einzige drohende Gebärde, um DAS KIND ZU REGIEREN." Das
Neugeborene sollte vor allem VOM ERSTEN TAG AN um jeden Preis dazu dressiert
werden, nicht zu schreien und zu gehorchen.
Die heute auch nur halbwegs milde erzogenen Menschen werden sich kaum
vorstellen können, mit welcher Konsequenz und welchem Zeitaufwand
dieses Programm von Schreber selbst durchgeführt wurde. Der Psychoanalytiker
William G. Niederland (VGL. 9
NIEDERLAND, WILLIAM G.: DER FALL SCHREBER, SUHRKAMP, 1978)
zitiert Beispiele, die mir für die tägliche Praxis der damaligen
Erziehung bezeichnend scheinen, zum Beispiel Rezepte, wie das Kind "in
der Kunst, sich zu versagen" eingeübt werden soll. Das hört
sich so an: "Die hierfür empfohlene Übung sei einfach und
wirksam: man setzt das Kind auf den Schoß der Kinderfrau, während
diese nach Belieben etwas ißt oder trinkt. Wie stark auch immer
die oralen Bedürfnisse des Kindes in dieser Situation anwachsen mögen,
sie dürfen nicht befriedigt werden."
Schreber berichtet (laut Niederland, S. 98) über eine Episode aus
seinem eigenen Familienkreis: Als eine Kinderfrau, die eines seiner Kinder
auf dem Schoß hielt, Birnen aß und trotz des Verbots nicht
widerstehen konnte, dem Kind ein kleines Stück abzugeben, wurde sie
sofort entlassen. Da sich die Nachricht von dieser drastischen Maßnahme
rasch bei allen Kinderfrauen Leipzigs verbreitete, habe er- so schreibt
der Vater- "seitdem nie wieder, weder bei diesem noch bei den späteren
Kindern, eine solche Entdeckung gemacht".
Der Mensch kommt nicht mit einem fertig ausgebildeten Gehirn auf die Welt,
wie man es noch vor fünfzehn Jahren gemeint hat. Es hängt von
den Erfahrungen der ersten drei Jahre ab, welche Fähigkeiten sein
Gehirn entwickeln kann. Bei schwer und sehr früh traumatisierten
rumänischen Kindern zum Beispiel stellte man später auffallende
Insuffizienzen im emotionalen und kognitiven Bereich fest, denen Läsionen
in bestimmten Gehirnbereichen entsprachen. Nach den neuesten Berichten
der Neurobiologen führen wiederholte Traumatisierungen zur erhöhten
Ausschüttung der Streßhormone, die das zarte Gehirn angreifen
und bereits bestehende Neuronen zerstören. Bei mißhandelten
Kindern fand man, daß Gehirnregionen, die für die Steuerung
der Emotionen zuständig sind, um 20 bis 30 Prozent kleiner waren
als bei Vergleichspersonen.
Die um die Jahrhundertwende systematisch zum Gehorsam dressierten Kinder
waren nicht nur der körperlichen Züchtigung ausgesetzt, sondern
auch einer schwerwiegenden Deprivation. Zärtliche Berührungen
der Kinder, wie das Streicheln, Umarmen, Küssen, wurden in der damaligen
Erziehungsliteratur als Affenliebe bezeichnet, und die Eltern wurden immer
wieder vor der Gefahr des Verwöhnens ihrer Kinder gewarnt, das sich
mit dem Ideal der Härte auf keinen Fall vereinbaren ließ. So
litten die Säuglinge unter dem Mangel an liebevollem direkten Kontakt
mit den Eltern. Im besten Fall konnten sie ihn bei den Hausangestellten
kompensieren, von denen sie nicht selten als Lustobjekte benutzt und ausgenutzt
wurden, was manchmal zur weiteren Verwirrung beitrug.
Seit Dr. Harlows Experimenten an Affen, die in den fünfziger Jahren
durchgeführt wurden, weiß man, daß sich Affen, die an
künstlichen Mutterattrappen großgezogen wurden, später
aggressiv verhielten und kein Interesse an ihrem Nachwuchs zeigten. John
Bowlbys Arbeiten über den Mangel der ersten Bindung (attachment)
bei Delinquenten und Rene Spitz' Beschreibungen der Kleinkinder, die in
Krankenhäusern unter äußerst hygienischen Bedingungen
infolge von emotionaler Verwahrlosung an Hospitalismus starben, zeigten
uns, daß nicht nur Affen-, sondern auch Menschenkinder für
ihre Sozialisierung den positiven sensorischen Kontakt zu ihren Eltern
unbedingt brauchen.
Inzwischen sind die vor bald vierzig Jahren gemachten Beobachtungen von
Bowlby und Spitz durch neurobiologische Forschungen ergänzt worden.
Nicht nur Mißhandlungen, stellen nun die Forscher fest, sondern
auch der Mangel an liebevollen Körperkontakten mit den Eltern führt
dazu, daß bestimmte Hirnregionen, vor allem diejenigen, die unsere
Emotionen steuern sollten, unterentwickelt bleiben. Daher erlitten die
mit "Blicken regierten" Kinder emotionale Schäden, deren
destruktive Folgen sich vermutlich erst in der nächsten Generation
auswirkten.
Die Ergebnisse der heutigen neurobiologischen Forschungen machen das Funktionieren
der Menschen wie Eichmann, Himmler, Höss und ähnlicher besser
verständlich. Die Dressur zum Gehorsam in ihrer frühesten Kindheit
verhinderte bei ihnen die Entwicklung solcher menschlichen Fähigkeiten
wie Mitgefühl und Erbarmen mit dem Leidenden. Sie konnten nicht vom
Blick eines Unglücklichen bewegt sein, solche Gefühle waren
ihnen fremd. Was Himmler in seiner berühmten Posener Rede als "Freiheit"
bezeichnete, war im Grunde diese vollkommene seelische Verkümmerung.
Sie erlaubte den schwersten Verbrechern "normal" zu funktionieren
und auch in der Nachkriegszeit ihre Umgebung damit zu beeindrucken.
Das letztere bleibt zwar ein Rätsel, das noch lange nicht vollständig
erklärt werden kann. Aber auch wenn wir es könnten, die weitere
Produktion solcher Menschen können wir damit trotzdem nicht verhindern,
weil die Praxis der Erziehung sich nicht so schnell nach den Ergebnissen
der Forschung orientiert. Ob die neuesten Informationen die jungen Eltern
überhaupt erreichen, hängt in erster Linie von der emotionalen
Reife der Eltern ab. Zum Glück gibt es bereits junge Eltern, die
trotz ihrer Jugend diese Reife erreicht haben. Diese Eltern der neuen
Generation lassen sich nicht mehr durch Ratschläge der Menschen einschüchtern,
die, weil sie einst selber geschlagen wurden, nach wie vor behaupten,
daß ein Klaps im "richtigen Moment" segensreich und durchaus
harmlos sein könnte. Die jungen Eltern, die dank ihrer herzlichen
Bindung mit ihren Kindern zuweilen besser als manche Ärzte informiert
sind, wissen, daß man unter gar keinen Umständen ein Kind schlagen
darf, weil die Schläge wie Zeitbomben wirken können. Die Folgen
können sich erst viel später auswirken, auch wenn sie "nur"
darin bestehen sollten, daß ein gebildeter Mensch heute noch, trotz
bestehender Informationen, eine solche Barbarei empfehlen kann.
Als Schweden vor zwanzig Jahren das Gesetz verabschiedet hatte, das das
Schlagen der Kinder verbietet, waren noch 70 Prozent der befragten Bürger
dagegen. Heute sind es nur 10 Prozent. Die neuen Erfahrungen haben vielen
offensichtlich die Augen geöffnet. In den großen Ländern
Europas ist es leider nach wie vor erlaubt, kleine Kinder mit der Rute
zu "disziplinieren", damit sie zu braven Bürgern aufwachsen,
was auch immer das bedeuten soll. Solche Ruten werden in Frankreich immer
noch produziert und gut verkauft.
Wenn man weiß, welche Wirkung die seelischen und körperlichen
Entbehrungen und Mißhandlungen von Säuglingen, neben der Unterdrückung
der emotionalen Reaktionen, auf den psychischen Haushalt von Kindern haben,
dann begreift man, daß diese unterdrückten Emotionen einen
starken Wunsch nach Rache hinterlassen. Es ist deshalb naheliegend, zu
vermuten, daß sie etwa dreißig und vierzig Jahre später
da abreagiert werden, wo es nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht
wird.
Die Frage, weshalb die einen erfahrene Mißhandlungen scheinbar ohne
Schäden überleben, während die anderen an schweren Symptomen
leiden oder kriminell werden, läßt sich vielleicht nur im Einzelfall
klären, und dies nicht immer. Doch zweifellos wird die Gegenwart
eines oder mehrerer mitfühlender Menschen in den ersten Lebensjahren
eine positive Entwicklung trotz gelegentlicher Traumen erleichtern, weil
dann Grausamkeit als solche abgelehnt und deren bewußte Verarbeitung
möglich gemacht werden konnte.
Man könnte zwar diesbezüglich so argumentieren, wie Sigmund
Freud es auf dem sexuellen Gebiet tat, und sagen: Wenn die meisten Menschen
als Kinder mißhandelt oder emotional verwahrlost worden sind, kann
das bei der Entstehung der Delinquenz kein pathogener Faktor sein, sonst
hätten sich die meisten zu Mördern entwickelt. Doch diese Argumentation
verkennt gerade die Tatsache, daß es nicht Traumata an sich sind,
die direkt zur Ausbildung von Neurosen und zu kriminellen Karrieren führen,
sondern die ART IHRER VERARBEITUNG.
Wenn keine positiven Faktoren hinzukommen, wenn sowohl Zärtlichkeit
als auch helfende Zeugen fehlen, bleibt es bei der Verleugnung des Leidens
und der Idealisierung der Grausamkeit mit all ihren verheerenden Konsequenzen.
Wer bereits im averbalen Alter eine in höchstem Maße demütigende
und grausame Erziehung, meist ohne wissende Zeugen, erhalten hatte, hatte
unter Umständen auch gelernt, diese Grausamkeit zu bewundern, wenn
niemand in der frühesten Umgebung des Kindes diese in Frage stellte
und humane Werte vertrat.
Ich habe 1980 in "Am Anfang war Erziehung" auf Dutzenden von
Seiten Auszüge aus Erziehungsschriften zu Beginn unseres Jahrhunderts
zitiert, um den Leser spüren zu lassen, wie Säuglinge um die
Jahrhundertwende seelisch und körperlich gequält, ja oft sogar
gefoltert wurden, damit sie einen guten Charakter entwickelten. Eine befreundete
Analytikerin, die inzwischen verstorben ist, hatte diese Texte im Manuskript
gelesen.
Nach zehn Seiten, erzählte sie, habe sie die Lektüre nicht mehr
ausgehalten und die Blätter wütend an die Wand geworfen. Zu
sehr hätten diese Erziehungsschriften sie an die eigene Erziehung
erinnert. Derartige Wutausbrüche waren ihr eher fremd, aber diese
Texte lösten bei ihr die ohnmächtige Wut des gepeinigten Kindes
aus, die sie längst verdrängt hatte. Später, als sie das
ganze Buch gelesen hatte, bezeichnete sie ihre Großeltern als "Schreber-Kinder"
und begriff, daß ihre Eltern von dorther das schreckliche Strafarsenal
übernommen hatten, unter dem sie seinerzeit so gelitten hat.
Ich frage mich, was in einem kleinen Kind vorgeht, das all die Folter
im Namen einer wahnhaften Idee erdulden muß und sich nicht dagegen
wehren darf. Von den beiden Söhnen Dr. Schrebers beging der erste
Selbstmord, und der andere wurde psychotisch, aber nicht alle Kinder,
die den damaligen Erziehungsdoktrinen unterworfen waren, erlitten ein
solches Schicksal. Es ist einerseits anzunehmen, daß nicht alle
Eltern die Vorschriften konsequent befolgten. Andererseits hatten einige
Kinder, wie meine Freundin, helfende Zeugen, durch deren Hilfe sie der
irrigen Meinung entgingen, daß die ihnen erteilte Behandlung gut
gewesen sei. Viele wuchsen jedoch in der Überzeugung heran, daß
das Quälen, Erniedrigen und Auslachen der Kinder einem moralischen
Zweck diene und in Gehorsam und Demut zu erdulden sei.
Was auch immer ein Kind später in Elternhaus, Schule und Kirche über
die Moral zu hören bekommt, wird niemals dieselbe Wirkung haben wie
das, was sein Körper in den ersten Tagen, Wochen und Monaten erfährt.
Die Lektion der ersten drei Jahre wird unauslöschlich gespeichert.
Wenn also der Körper des Kindes von der Geburt an lernt, daß
es richtig sei, ein unschuldiges Wesen zu quälen und zu bestrafen,
ist diese Botschaft stärker als das später vermittelte intellektuelle
Wissen. Tragischerweise wird der Erwachsene unter Umständen sein
ganzes Leben lang wie einst Luther behaupten, Schläge seien harmlos
und Strafen erfolgreich, obwohl das Gegenteil längst bewiesen ist.
Wenn ein Kind hingegen von Beginn an beschützt wurde, geliebt und
geachtet, wird diese Erfahrung ebenfalls ein Leben lang nachwirken.
Wer waren diese eigentlich die Frauen, die es in Lagern genossen hatten,
die jüdischen Kinder zu quälen, zu erniedrigen und sie körperlich
und seelisch zu foltern?
Aufgrund der Prozeßakte hatte es sich herausgestellt, daß
es meistens junge Mädchen im Alter zwischen neunzehn und einundzwanzig
waren, die früher ganz gewöhnliche Berufe gelernt hatten, wie
Schneiderin oder Verkäuferin, und in deren Leben nichts Besonderes
festzustellen war. Während des Prozesses behaupteten sie einstimmig,
es wäre ihnen nicht bewußt gewesen, daß die jüdischen
Kinder menschliche Wesen waren. Aus solchen Aussagen ziehen wir allzu
leicht den Schluß, daß man alle Menschen mit Hilfe der Propaganda
und Manipulation schließlich zu sadistischen Vollstreckern der Massenmorde
machen kann.
Dieser Meinung kann ich mich nicht anschließen. Ich denke im Gegenteil,
daß nur Frauen und Männer, die sehr, sehr früh, in den
ersten Wochen und Monaten ihres Lebens, seelische und körperliche
Gewalt und gar keine Liebe erfahren haben, sich zu Hitlers willigen Vollstreckern
machen lassen KONNTEN. Sie brauchten kaum eine ideologische Erziehung,
wie Goldhagen das aufgrund der Archive feststellte, denn ihr Körper
wußte genau, was er tun wollte, sobald es ihm erlaubt war, das Gewünschte
zu tun. Und bei den Juden, jungen oder alten, war ja alles erlaubt, seitdem
man sie zu Unmenschen deklarierte. Doch eine solche Deklaration wird bei
niemandem Haß auslösen, der die Bereitschaft dazu nicht bereits
hätte. Es gab ja Deutsche wie Karl Jaspers, Hermann Hesse oder Thomas
Mann, bei denen diese Deklaration sofort als ein Alarmzeichen und als
Signal der Barbarei verstanden wurde.
Doch den in der frühen Kindheit verwirrten Menschen kam die Deklaration
sehr entgegen. Sie brauchten den Kindern nur das Wasser zum Waschen zu
verweigern, und schon konnten sie sie mit Grund hassen, weil sie so schmutzig,
schwarz wie Kohle waren. Sie konnten hungrigen Kindern drei Würfel
Zucker hinwerfen und diese Kinder verachten, wenn sie sich darauf stürzten.
Die jungen Frauen konnten die Kinder zu dem machen, was sie brauchten,
um sich nun mächtig zu fühlen und ihre alte Wut an diesen Opfern
abzuladen.
Es scheint mir müßig, heute noch darüber zu diskutieren,
wie viele Österreicher der SS angehörten. Zum Glück ist
es im heutigen Österreich gesetzlich verboten, Kinder zu schlagen.
Das berechtigt immerhin zur Hoffnung, daß in den nächsten Generationen
nur eine Minderheit zu Taten bereit sein wird, zu denen früher vielleicht
die Mehrheit bereit war. Wenn das humane Gesetz nicht wieder aufgehoben
wird. Man kann nie wissen, was eine destruktive Minderheit doch noch vollbringt.
Die Studien, die mir bereits 1980 zugänglich waren und die ich in
"Am Anfang war Erziehung" erwähnte, bestätigten meine
Vermutung, daß brutal erzogene Kinder sowohl im Nazi-Deutschland
als auch unter den amerikanischen Berufssoldaten, die sich FREIWILLIG
für den Einsatz in Vietnam gemeldet haben, zu den grausamsten Verbrechern
gehört hatten. Meine Vermutung bestätigte sich erneut dank dem
Einblick in Kindheiten jener Menschen, die in Zeiten des Terrors eine
Ausnahme bildeten, indem sie den Mut hatten, andere vor der Vernichtung
zu retten.
Weshalb gab es während der Nazi-Zeit auch Menschen, die ihr Leben
riskierten, um Juden zu retten? Mit dieser Frage haben sich zahlreiche
Wissenschaftler beschäftigt. Sie weisen meistens auf religiöse
und moralische Werte wie Nächstenliebe oder Verantwortung hin, die
den Rettern von ihren Eltern und Erziehern vermittelt worden seien. Doch
auch die Täter und Mitläufer hatten ja meist eine religiöse
Erziehung genossen, so kann darin nicht die gesuchte Erklärung liegen.
Ich war daher fest davon überzeugt, daß es einen besonderen
Faktor in der Kindheit der Retter gab, in der herrschenden ATMOSPHÄRE
ihrer Kindheit, der sie grundsätzlich von derjenigen der Täter
unterschied. Nach einem Buch, das dieser spezifischen Frage genügend
Rechnung trägt, habe ich lange Zeit vergeblich Ausschau gehalten.
Schließlich fand ich eine empirische Untersuchung (VGL.
OLINER, SAMUEL P. UND OLINER, PEARL M.: THE ALTRUISTIC PERSONALITY. RESCUERS
OF JEWS IN NAZI EUROPE, NEW YORK, THE FREE PRESS, 1988),
die auf Gesprächen mit über vierhundert Zeitzeugen beruht und
die meine Vermutung bestätigt: Der einzige Faktor, der die Retter
von den Tätern und Mitläufern unterschied, war nach dieser Untersuchung
der ERZIEHUNGSSTIL ihrer Eltern
Fast alle Retter gaben in den Interviews an, ihre Eltern hätten sie
mit Argumenten und nicht mit Strafen zu erziehen versucht. Körperlich
seien sie nur selten bestraft worden, und wenn, dann stets in Zusammenhang
mit einem Vergehen und nie, weil die Eltern irgendeine unfaßbare
Wut an ihnen abreagieren wollten. Ein Mann erinnerte sich beispielsweise,
daß er einst Schläge erhalten habe, weil er kleinere Kinder
auf einen noch zugefrorenen See geführt und damit ihr Leben gefährdet
habe. Ein anderer erzählte, der Vater habe ihn nur einmal geschlagen,
sich aber später dafür entschuldigt. Bei vielen lautete der
Tenor ungefähr so: "Meine Mutter versuchte mir jeweils verständlich
zu machen, wieso mein Tun falsch gewesen war. Sie klagte mich nicht an.
Auch mein Vater unterhielt sich oft mit mir. Ich war beeindruckt von dem,
was er mir zu sagen hatte."
Wie anders tönte es bei den Tätern und Mitläufern: "Wenn
mein Vater betrunken war, peitschte er mich aus. Ich wußte nie,
wofür ich geschlagen wurde. Der Grund lag manchmal Monate zurück.
Und Mutter, einmal in Wut geraten, bestrafte die ganze Umgebung, auch
mich."
Im Unterschied zu solchen unkontrollierten, aber als berechtigt empfundenen
Affektentladungen beruhen Erklärungen auf dem Vertrauen in die guten
Absichten des Kindes. Dahinter stehen Respekt und der Glaube an die Fähigkeit
des Kindes, zu verstehen, sich zu entwickeln und sein Verhalten zu korrigieren.
Menschen, die als Kinder Zuwendung und Beistand erhalten haben, übernehmen
früh die verständnisvolle und autonome Art ihrer Eltern. Das
Selbstvertrauen, die Fähigkeit, zu entscheiden und mitzufühlen,
war allen Rettern gemeinsam. 70 Prozent von ihnen gaben an, sich nach
wenigen Minuten für die erste Hilfeleistung entschieden zu haben.
80 Prozent sagten, sie hätten sich mit niemandem beraten. Denn: "Ich
mußte es tun, hätte es nicht verkraftet, dem Unrecht zuzusehen
und tatenlos zu bleiben."
Diese Haltung, die in allen Kulturen als "edel" gilt, wird einem
Kind nicht mit schönen Worten vermittelt. Wenn Erzieher die eigenen
Worte mit ihrem Verhalten Lügen strafen oder das Kind im Namen edler
Worte schlagen, wie das in manchen religiösen Schulen noch immer
der Brauch ist, bleiben ihre edlen Worte wirkungslos oder provozieren
sogar Wut und Gewalt. Das Kind wird unter Umständen die hehren Worthülsen
aufnehmen und später selbst benutzen, aber nie danach handeln, weil
ihm Anwendungsmuster fehlen. Strafen basieren auf der Annahme, daß
das Kind aus böser Absicht handelt. Kein Wunder, daß es dann
kein Vertrauen hat, sondern Furcht. Schließlich hat es gelernt,
daß der Stärkere das Recht hat, seine Macht willkürlich
zu gebrauchen. Ein mit Gewalt erzogenes Kind hat Angst, neue Erfahrungen
zu sammeln, denn in seinen Augen lauert überall die Gefahr, urplötzlich
für angebliche Fehler bestraft zu werden. Dem Erwachsenen wird später
der Erfahrungskompaß fehlen, der ihn leiten könnte. Deshalb
wird er sich Autoritäten unterwürfig beugen und Schwächere
knechten, so wie er als Kind die Willkür seiner Erzieher zu spüren
bekam.
Es gab zum Glück immer wieder, auch im Dritten Reich, vereinzelte
Menschen, bei denen die moralischen Schranken gegen Grausamkeit in ihrem
frühesten emotionalen Leben bereits verankert waren. Ich habe das
einmal anhand der Widerstandskämpferin Sophie Scholl aufgezeigt.
Ihre Erziehung wich stark von der damals in Deutschland üblichen
ab, in ihrem Elternhaus herrschte Herzlichkeit und Großmut. So war
Sophie bereits als Jugendliche immun gegen Hitlers Verführungskunst.
Seine Reden erfüllten sie mit Abscheu.
Heute wäre Sophie Scholl keine Ausnahme mehr. Aus dieser Tatsache
läßt sich vielleicht die Hoffnung ableiten, daß sich
im heutigen Deutschland nicht so leicht, ohne jegliche Widerstände
aus dem Volk, neue Genozide organisieren lassen. Trotz der Arbeitslosigkeit
und ziemlich verbreiteter Unzufriedenheit mit neuen Regierungen, kann
ich es mir schwer vorstellen, daß eine überwiegende Zahl der
Bürger einem rasenden Politiker vertrauen würde, der unverhohlen
ankündigt, durch das Ausrotten eines ganzen Volkes Ordnung schaffen
zu wollen. Daß eine Gruppe solchen Parolen folgen könnte, ist
durchaus wahrscheinlich, weil es auf der ganzen Welt, nicht nur in Deutschland,
junge Menschen gibt, die die früh erfahrenen Demütigungen auf
diese Weise zu rächen hoffen.
Doch im allgemeinen erhalten die deutschen Kinder heute zweifellos eine
andere, viel freiere Erziehung als ihre Großeltern zu Beginn dieses
Jahrhunderts. Was früher vermutlich der Mehrheit widerfuhr, dürfte
sich jetzt eher auf die Minderheit beschränken. Ich schließe
das aus mehreren Gegebenheiten, unter anderem aus den Tatsachen, daß
die Bundesrepublik die stärkste pazifistische Bewegung der Nachkriegszeit
hervorgebracht und eine Demokratie entwickelt hat, die sich trotz Schwächen
bewährt. Das gibt Anlaß zur Hoffnung. Die Frage, was diese
positive Entwicklung ermöglicht hat, ist bis heute kaum aufgeworfen,
geschweige denn beantwortet worden. Ich meine, daß die Lockerung
der Erziehungsprinzipien eine der Ursachen bildet. Wie kam es zu dieser
Lockerung?
Die Zeit allein ermöglicht eine solche Entwicklung nicht. In Rußland
werden trotz Revolution und Weltkriegen noch vielerorts dieselben veralteten
Erziehungsmethoden angewandt wie vor Jahrzehnten, glücklicherweise
ohne jegliche Systematik. Es mag sein, daß der besondere Schock
der Nachkriegszeit in Deutschland zur Milderung der Erziehungsmethoden
beigetragen hat. Es ist auch nicht auszuschließen, daß die
amerikanische Besatzungsmacht, so sehr sie von einem Großteil der
Bevölkerung abgelehnt oder auch gehaßt wurde, zu einer Lockerung
der Gehorsamsmentalität beigetragen hat. Vielleicht wirkten die beiden
erwähnten Faktoren zusammen und noch viele andere dazu.
Es wird zwar noch häufig, nicht nur in Deutschland, sondern auch
in anderen Ländern Europas, behauptet, daß die Gewalt der Jugend
zugenommen hat, weil Kinder heute zu wenig oder zu milde bestraft werden.
Doch jeder, der sich wirklich informieren will, wird erfahren, daß
es gerade die am meisten gezüchtigten, also mißhandelten oder
schwer verwahrlosten Kinder sind, die später Freude am Zerstören
haben und die Gewalt glorifizieren.
Trotz der feststellbaren, in den ersten drei Jahren entstandenen Schäden
im Gehirn ist es vielleicht nie zu spät, um dem geschädigten
Kind zu helfen, Vertrauen aufzubauen, wenn die Umgebung dafür Verständnis
hat. Das menschliche Gehirn ist unendlich erfinderisch, es scheint ihm
offenbar bei optimalen Bedingungen möglich, andere Regionen als Ersatz
für die ausgefallenen einzusetzen. Viele Erfolge von geduldigen Therapeuten
und humanen Pädagogen haben das sogar bewiesen. Doch die Voraussetzung
war immer, daß man den Schaden wahrnahm, ihn nicht leugnete und
ihn nicht bagatellisierte. Die Konfrontation mit der Vergangenheit scheint
mir in manchen Fällen fast unumgänglich, wenn wir etwas zum
Guten verändern und auf diese Weise Verantwortung für die Zukunft
übernehmen wollen.
In einem Zeitungsinterview (VGL. "LE MONDE", 6. 9. 1996)
ist ein deutscher Professor einmal auf die Tatsache angesprochen worden,
daß die meisten Hochschullehrer ihre Zugehörigkeit zum Naziregime
nach dem Krieg verschwiegen haben. Der Befragte, der als junger Mann der
SS angehört hatte und für seine Verdienste an der Ostfront ausgezeichnet
worden war, sagte, daß dieses Schweigen ein Zeichen der Scham gewesen
sei (der Scham im Sinne von pudeur - Keuschheit, Verschämtheit).
Manche Geschehnisse seien so abscheulich gewesen, daß man sie am
besten nicht anspreche. Man sollte nicht versuchen, etwas zu verstehen,
was gar nicht zu verstehen sei.
Ob es sich wirklich um Scham oder um Opportunismus gehandelt hat, sei
schließlich dahingestellt, auf jeden Fall scheint mir eine solche
Distanzierung von der Vergangenheit äußerst problematisch zu
sein, denn sie enthält die Gefahr der Wiederholung aus purer Ignoranz.
Es ist wichtig, daß wir genau verstehen, wie es zu den Abscheulichkeiten
gekommen ist, warum so viele Intellektuelle sie vorbehaltlos bejahten
und unterstützten und warum sie sich noch heute weigern, zu verstehen,
zu suchen und ehrlich zu eruieren, was ihnen widerfahren ist. Und warum
es ihnen überhaupt widerfahren ist.
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